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Die Kirche
Die Infrastruktur der
Kichgemeinde Reutigen besteht
aus der Kirche, dem Pfarrhaus
sowie dem Kirchgemeindehaus.
1997 wurde der Kunstführer über
die Kirche Reutigen zusammen mit
der Gesellschaft für Schweizerische
Kunstgeschichte GSK Bern überarbeitet und in der
zweiten, leicht veränderten Auflage neu
herausgegeben.
Er beinhaltet Geschichtliches, informiert über die
Baugeschichte und beschreibt den Kirchenbau.
Weiter sind ausführliche Beschreibungen der
Wandmalereien und Ausstattung enthalten. So ist
wiederum ein schönes Büchlein entstanden.
In der Bildergalerie finden Sie zahlreiche Aufnahmen
wie bspw. der Wandmalereien und Ausstattung
unserer schönen Kirche.
Wer sich für den Kunstführer interessiert, kann ihn
bei der Verwaltung der Kirchgemeinde gegen eine
Markengebühr von Fr. 6.00 beziehen. Ein Anruf oder
ein E-Mail genügen und er wird Ihnen nach Erhalt
der Marken (6 Stk. à Fr. 1.00) per Post zugestellt.
Baugeschichte
Heute gehört der Bau zum Typus
der Saalkirche mit eingezogenem
Rechteckchor. Vielleicht war das
aussergewöhnlich breite Langhaus
ursprünglich aber in drei Schiffe
unterteilt wie die Mutterkirche der
Nachbargemeinde Wimmis, die
nahezu die gleichen Ausmasse
aufweist. Dass das ganze
Gebäude in romanischer Zeit
entstanden ist – wohl im 12. oder
im frühen 13. Jahrhundert –
bestätigen die nun vermauerten
Rundbogenfensterchen, von welchen zwei an der
südlichen Längswand im Umriss angedeutet sind,
sowie der noch sichtbare Ansatz eines
Tonnengewölbes im Chor und die grösstenteils
erhaltene Tonne in der Sakristei nördlich des Chors.
Besondere Zierde des Aussenbaus ist das schmucke,
1330 erstmals erwähnte Türmchen: Über dem Chor
steigt ein steiles Zeltdach auf, das wenig oberhalb
des Langhausfirstes in ein hölzernes
Glockengeschoss übergeht. Darüber erhebt sich ein
achteckiger, geknickter Spitzhelm mit einem
grossen, schmiedeeisernen Kreuz.
Im späten Mittelalter brach man, dem
Zeitgeschmack folgend, das romanische
Chorgewölbe aus und zog eine höher gelegene,
hölzerne Flachdecke ein, die ihrerseits im 18.
Jahrhundert einer gedrückten Backsteintonne
weichen musste. Gleichzeitig wird man auch den
trennenden Chorbogen entfernt haben. Das schwere
barocke Gewölbe verursachte mit der Zeit so starke
Mauerschäden, dass man sie 1864 durch eine
„Blakenlage mit Schiebboden und Gypsdecke“
ersetzte. Aber auch diese Lösung vermochte sich auf
die Dauer nicht zu bewähren. 1909 wurde das
heutige leichte Rabitzgewölbe eingezogen: ein
Ziegel-Draht-Geflecht, das als Putzträger für das
Gewölbe dient.
1885 erhielt das Schiff nebst einem neuen Dachstuhl
die heutige, schwach gewölbte Holzdecke. Die
grossen Flachbogenfenster dürften bereits im 18.
Jahrhundert ausgebrochen worden sein. Die
Eingänge und die Vorhalle an der Westfassade
bekamen bei der letzten umfassenden Renovation
von 1952/1953 ihre heutige Gestalt.
Taufstein
Taufstein mit Gemeindewappen und Hans Schütz.
Auszug aus einem Schriftstück aus dem Zeitraum
1900 (genaues Jahr ist leider nicht überliefert) mit
dem Titel „Das Wappen der bernischen Familie
Schütz“, sign. mit K. G. S
In der Kirche von Reutigen im Stokental (Kt. Bern)
steht der Taufstein, dessen Stifterschild wir hier
bringen als kleinen Beitrag zu bernischen Burger-
Wappen des XV. Jahrh. und gleichzeitig als bisher,
unseres Wissens, nicht beachteten heraldischen
Belegs für urkundlich schon früher Bekanntes.
Dieser Schild trägt das Zeichen der bernischen
Familie Schütz und gehört wohl dem Hans Schütz
an, einer um die Mitte des XV. Jahrh. in Bern
geachteten und wohl bekannten Persönlichkeit: Von
1435 bis 1480 sass er fast ununterbrochen im
grossen Rat, mehrmals auch während dieser Zeit im
kleinen Rat; von 1458 – 1462 war er Salzherr, 1449
– 1454 amtete er neben Thüring v. Ringoltingen als
Kirchenpfleger und führte in dieser Zeit das St.
Vinzenen-Schuldbuch. Der einfache „Grämper“ war
unterdessen zum begüterten Handelsmann
geworden, der es sich nun auch nicht nehmen
lassen wollte, seinen privaten Teil zu dem offiziell
seiner Pflege anvertrauten Werke der
Ausschmückung und Vollendung des St.
Vinzenenbaus beizutragen.
1448 bis 1449 wurde der St. Gregor-Altar, seine
Stiftung, im Münster errichtet. Die Kapelle entbehrt
heute jeglichen Schmuckes aus der Zeit ihrer
Entstehung, bis auf den einfachen Schild als
Abschluss des Gewölbes, das in kräftiger
Modellierung, heute grau in grau, das Zeichen des
Stifters und seiner Frau enthält; wahrscheinlich ist
das letztere auf seine zweite Frau Barbara Dreyer zu
beziehen.
Dem Beispiel hervortretender Zeitgenossen folgend,
suchte denn auch Hans Schütz durch Erwerbung
von Herrschaftsrechten seine angesehene politische
und oekonomische Stellung nach aussen zu
dokumentieren: 1472 erwarb er durch Kauf die
Herrschaft Stocken, und 1478 von Heinrich von
Bannmoos die Hälfte der
Herrschaftsrechte von Reutigen,
die dann späterhin aber erst nach
seinem ca. 1482 erfolgten Tode,
an die Stadt Bern kamen. Hans
Schütz war also noch Mitherr von
Reutigen, als im Jahre 1480
dasselbe von Wimmis getrennt
und zu einer eigenen
Kirchgemeinde erhoben wurde, Anlass genug dazu,
dass sich der Herrschaftsherr durch Stiftung eines
neuen Taufsteines in der Kirche ein Denkmal setzte
(siehe Bild).
Erhalten ist uns auch sein Siegel, das an einer
Urkunde von 1461 im Fache „Schuldschriften“ im
bern. Staatsarchiv hängt. Ausser in diesem Siegel,
dem Schlussstein der St. Gregorskapelle und dem
Taufstein in Reutigen fand sich das Wappen
nirgends; nach den Resten von Bemalung am
Stifterschild in Reutigen zu schliessen, stund das
Zeichen golden im blauen Feld. Von bernischen
Wappenbüchern bringt, soweit wir sehen, keines
den Schild. Die Familie „Schütz“, mit dem Vermerk
„ausgestorben“, führt allenthalben in Blau eine
goldene Armbrust. Sind es dieselben „Schützen“? Ist
die Wappenänderung allmählich,
unwillkürlich, durch falsches Ablesen
des vielleicht undeutlich erhaltenen
Hauszeichens entstanden? Oder ist
das Wappen wirklich gebessert
worden?
Orgel
Die im Chor aufgestellte Orgel entstand 1818/1820
in der Werkstatt des Orgelbauers Johannes Stölli
von Habstetten (Bolligen BE). 1923 erhielt sie ein
pneumatisches Werk. Bei der letzten umfassenden
Renovation von 1970/1971 baute die Firma Matzler
+ Söhne, Dietikon, wiederum ein mechanisches
Hauptwerk ein, das sie um ein Brustwerk ergänzte.
Dabei wurde auch das zierliche, dunkelrot bemalte
Tannenholzgehäuse mit seinem vergoldeten Zier-
schnitzereien restauriert. Von den hohen Seiten-
türmen seines fünfteiligen Prospektes leiten
absinkende Flachfelder zum niedrigeren Mittelturm
über, den ein girlandenbehangener Pokal krönt. In
den Flachfeldern überdecken üppige Rebenzweige
die Pfeifenenden. Die feinen Blattranken in den
Türmen und die schlanken, langgezogenen
Turmkonsolen gehören zum festen Formenschatz
Stöllis. 1970/1971 wurden die Seitenbärte und die
Schnitzerei in den Schallöffnungen des Brustwerks
hinzugefügt; auch der Spieltisch ist neu. Die Orgel
umfasst nun 15 Register, und zwar im ersten Manual
Prinzipal 4′ (im Prospekt), Oktave 2′, Mixtur 3fach,
Hohlflöte 8′, Gedacktflöte 4′,
Nasard 2 2/3′, Dulcian 8′; im
zweiten Manual Holzgedackt 8′,
Rohrflöte 4′, Spitzflöte 2′, Oktav
1′, Sesquialtera 2fach; im Pedal
Subbass 16′, Oktav 8′ und Trompete 8′.
Empore
Zugleich mit der Orgel entstand
1819 auch die Empore mit ihrer
eichenen, leicht
ausschwingenden Balustrade
und dem damit verbundenen
Chorgestühl.
Abendmahlstisch und Kanzel
Der Abendmahlstisch stammt aus dem Jahr 1660.
Seine eingelegte Tulpenornamentik, eine im
Thunersee weitverbreitete Zierform, wiederholt sich
im Fried und in den Bögen der polyonalen
Holzkanzel von 1671. Diese ruht auf einer
langgezogenen Konsole in der Form einer
umgekehrten Pyramide. Die Gliederung ihrer
Brüstung folgt dem Geschmack der
Spätrenaissance: Auf hohen Postamenten stehen
Pfeiler, die ein kräftiges Kranzgesims tragen.
Dazwischen sind
Bogenstellungen eingefügt. Der
mit reichen geometrischen
Intarsien verzierte Schalldeckel
zeigt an seiner Stirnseite den
Vers: SALIG SIND DIE DAS
WORT GOTTES HOREN UND
BEWAHREN SPRICHT
JESUS,LUCAE 11, v 28, 1671.
Grabplatte
Nahe des Kanzelaufgangs, der im 19. Jahrhundert
neu errichtet wurde, ist eine aus Sandstein
gefertigte Grabplatte in die Wand eingelassen. Mit
naiven gereimten Versen erinnert sie an Niclaus
Studer, der von 1688 bis 1713 als Pfarrer in
Reutigen gewirkt hat.
Darauf steht: Wer ruht bei dieser Grabes Tür? Herr
Pfarrer Niklaus Studer, der vierundzwanzig Jahr
allhier geführt das Kirchenruder. Der Leib wie Jobs
Leib voller Qual, wie Lazarus
gekränket nach fünfundfünfzig
Jahren Zahl ward hier ins Grab
versenket. Die Seel, der
Schmerzen quitt und los, ruft:
Zion, lasst von Sünden, folg mir in Abraham sein
Schoss, da wirst mich wieder finden. Ward geboren
den 5ten Februar 1658 starb den 15ten Oktober
1713.
Bestuhlung und Brusttäfer
1891 schuf Jakob Thönen aus Zwieselberg die
Bestuhlung und das Brusttäfer im Schiff.
3 neue Glocken
1909 ersetzte die Firma H. Rüetschi AG, Aarau, das
alte Geläute durch drei neue Glocken im A-Dur-
Dreiklang.
Wandmalereien
Taufstein Ihren besonderen Reiz verdankt die Kirche
den Wandmalereien, die in jenen Zeiten entstanden
sind, als die christliche Lehre der Gemeinde noch im
Bild vor Augen geführt werden musste, weil die
Kunst des Lesens nur den
Gebildeten vorbehalten war. Die
Namen der Maler sind nicht
überliefert.
Mit der Reformation
verschwanden sämtliche
Wandbilder unter einer weissen
Tünche. 1886 kam der linke Teil
des Jüngsten Gerichts an der
Westwand wieder zum
Vorschein; 1952 legte Hans A. Fischer auch die
übrigen Bilder im Schiff frei und restaurierte, was in
einem gut erkennbaren Zusammenhang noch
erhalten war. Alles übrige wurde wieder zugedeckt.
Feiertagschristus und Christophorus
Im Schiff, an der licken Chorschulter beim
nördlichen Eingang, früher 15. Jahrhundert. –
Originellstes Wandbild der Kirche ist der im untern
Teil leider beschädigte Feiertagschristus, ein
Mahnbild zur Sonntagsheiligung. In dekorativer
Verteilung über die ganze Bildfläche zeit es ein
nimmermüdes Völkchen arbeitender Landleute und
Handwerker: links den Schumacher mit einem
Stiefel in der Hand und den Schneider mit der
Schere, einen Bauern mit seinem Knecht beim
Pflügen, eine Spinnerin mit Spinnrocken und
Handspindel, eine weitere Frau, deren
Beschäftigung nicht mehr erkennbar ist, und nur
noch die Köpfe zweier Männer, von welchen der eine
vielleicht einen Dreschflegel trug. Rechts oben
bearbeitet der Zimmermann einen Balken, und ein
Bursche trägt kühn sein Schwert voran; des weitern
wird Brot gebachen, die Sense gewetzt und der
Gertel geprüft; eine Bäuerin hält sich mit dem
Rechen bereit, und ein Bub schleppt einen Sack auf
der Schulter. Mitten in diesem geschäftigen Treiben
steht gross Christus, nur mit dem Lendentuch
bekleidet. Von seinen Wundmalen führen rote Linien
– Blutfäden – zu den ihm zugewendeten
Werkzeugen, denn sobald diese an einem Sonntag
benützt werden, fügen sie ihm neue Qualen zu.
Damit äussert sich das Gebot zur Sonntagsheiligung
nicht streng gebieterischem Tohn, sondern in einer
deutlich gefühlsbetonten Weise als Ausdruck
volkstümlicher, mystisch gefärbter Frömmigkeit: Man
möge doch dem Heiland, der für die Menschen so
viel gelitten habe, nicht durch Sonntagsarbeit noch
mehr Scherzen bereiten. Das Thema ist denn auch –
wie Wildhaber nachgewiesen hat – nur im Bereich
der schlichten Malerei, nicht aber in der „hohen “
Kunst vertreten. Alle bekannten Beispiele gehören
dem späteren 14. oder dem 15. Jahrkundert an und
beschränken sich zur Hauptsache auf England,
Süddeutschland, die deutsche Schweiz,
Graubünden, Südtireol und Slowenien.
Manch einem ist, wie hier in Reutigen, der heilige
Chistophorus beigesellt, der als Beschützer vor
plötzlichem Tod zu den am meisten gerufenen
Nothelfern gehörte. Vielleicht erhoffte man sich in
diesem Zusammenhang seinen Schutz vor schweren
Unfällen bei der Verricht des Tagewerks, womit die
Malerei in ihrem Bezug auf das Arbeiten zwei
Funktionen erfüllen würde: eine mahnende und eine
beschützende. Beim grossen Christophorus sind die
Proportionen und die Gewanddrapierung derart
missglückt, dass der kräftige Riese einen etwas
unbeholfenen Eindruck erweckt. Die kleinen
„Sonntagsarbeiter“ aber hat er Maler erfrischend
lebhaft und anschaulich gestaltet, wenn auch ohne
grosse Differenzierung der Köpfe und Gewänder.
Ende der 1950er Jahre ist in der Kirche von Oberwil
im Simmental ein Wandbild gleichen Inhalts zum
Vorschein gekommen, das von derselben Hand
stammen dürfte.
Leben Jesu und Jüngstes Gericht bei der
Kanzel
In der Südostecke des Schiffs, spätes 14.
Jahrhundert. – Die Bilder gefallen wegen ihres
schlicht-spontanen, kinderbuchhaften Charakters.
Gestaltet mit den einfachsten künstlerischen Mitteln,
erheben sie keinen Anspruch auf gekonnten
Szenenaufbau: Gleichmässig verteilen sich die
Figuren über die Bildfläche; als Boden genügt ein
schmaler, mit Gräsern besetzter Streifen. Bildtiefe
wird nicht angestrebt; den leeren Hintergrund füllen
Sterne oder Punktrosetten. Im
Jüngsten Gericht sind Gesichter
und Gebärden ohne Variation
formelhaft wiedergegeben. Mehr
innere Ausstrahlung ist den
Bildern aus dem Leben Jesu, vor
allem den Passionsszenen,
eigen. Leider wurden diese
durch den barocken
Fenstereinbau stark beschädigt.
Da aber die meisten Maler des
Mittelalters ihre Bilder nicht nach
eigenen Vorstellungen
gestalteten, sondern bei ihrer
Arbeit weitverbreitete Vorbilder
benützten, ist in vielen Fällen
aus einem kleinen,
unscheinbaren Fragment die
ganze Szene in ihren
Hauptzügen rekonstruierbar.
Flucht nach Ägypten
Fürsorglich zu Maria
zurückschauend, schreitet der
etwas klein und knabenhaft
geratene Josef mit
geschultertem Wanderstab dem
Züglein voran. Seine Rechte
führt die Zügel des Esels, der Maria mit dem
Jesuskind trägt.
Gottvater
Fragment eines Schöpfungsbildes von einer
Neubemalung der Kirche im 15. Jahrhundert.
Der zwölfjährige Jesus im Tempel (Fragment)
Der Tempel ist auf eine leicht gebogene Mauer
reduziert, die sich über das untere Drittel des
Bildfeldes erstreckt und in der Mitte einen breiten
Durchblick ofenlässt. Hier steigen die Stufen zum
kaum mehr erkennbaren Thron an, von dem aus der
Jesusknabe mit den Schriftgelehrten disputiert, die
sich seitlich zu seinen Füssen niedergelassen haben.
Abendmahl
Die lange Tafel zieht sich über die ganze Breite des
Bildes und ist mit einem weissen Tuch bedeckt, das
in dekorativer Drapierung bis zum Boden fällt. Damit
konnte der Maler zeichnerische Schwierigkeiten
(Perspektive) umgehen. Christus sitzt hiner dem
Tisch inmitten seiner Jünger. Johannes ist ihm an
die Brust gesunken, und je wei weitere Apostel zu
seinen Seiten – für alle war dem Maler der Platz zu
knapp – verwerfen die Hönde, weil sie eben vom
bevorstehenden Verrat erfahren haben. Judas ist
bereits aus der Gruppe ausgeschieden. Er erscheint
einsam vorne links, nur noch zur Hälfte erhalten.
Christus am Ölberg (Fragment)
Ein dem untern Rand entlanggeführter, geflochtener
Weidenzaun und zwei Bäume deuten den Garten
Gethsemane an. Links die drei schlafenden Jünger,
rechts der nahezu unbeschädigte, in seiner
Schlichtheit eindrückliche Kopf des betenden
Christus. Zu ergänazen ist rechts ein Felsen, von
dessen Anhöhe aus ein Engel oder die Hand Gottes
den Kelch – Symbol der Passion – darreicht
(Matthäus 26, 39). Als nächstes Bild hat man sich
die Gefangennahme vorzustellen.
Geisselung
Der Maler hat die Säule mit dem gefesslten Christus
so kräftig in die Mittelachse des Bildfeldes
eingespannt, dass sich der obere und untere
Rahmenstreifen durchzubiegen scheinen. Die fast
tänzerisch anmutende Bewegung Jesu will als ein
Sich-Strecken unter dem Schmerz der Hiebe
verstanden werden. Die beiden zum Schlag
ausholenden Knechte wirken harmlos. Der eine hält
eine dreiteilige Peitsche mit Bleikugeln, der andere
eine Rute in der Hand.
Dornenkrönung (Fragment)
In der Bildmitte war sitzend Christus dargestellt,
dem zwei Burschen mit langen Stangen die
Dornenkrone aufs Haupt drückte. Davon ist nur
noch ein Teil der linken Figur zu sehen. Daneben
Reste von Malereien aus dem 15. Jahrhundert.
Kreuztragung (Fragment)
Von der Szene sind am Bildrand nur die Nägel noch
zu erkennen, die ein Kriegsknecht in erhobener
Hand dem Zug vorantrug. Christus am Kreuz
Dem gekreuzigten Jesus in der Bildmitte sind als
Trauernde Maria, gestützt von Magdalena, und
Johannes beigesellt.
Beweinung
Maria weint um den toten Sohn auf ihrem Schoss.
Magdalena ist klagend in die Knie gesunken. Noch
steht rechts die Leiter am Kreuz, die Joseph von
Arimathia und Nikodemus benutzten, um Christus zu
lösen. Ordentlich haben sie zuletzt die drei Nägel in
der linkgen Querblaken gesteckt. Rechts folgten
wohl die Grablegung oder der Gang Christi in die
Vorhölle sowie die Auferstehung.
Noli me tangere
Vor der Erscheinung des auferstandenen Christus in
Magdalena niedergesunken. Eine Stechschaufel oder
-gabel kennzeichnet Jesus als Gärtner. Seine Rechte
trägt die Siegesfahne, von welcher über seinem
Haupt nur noch ein wehender Zipfel zu erkennen ist.
Das gleichzeitig geschaffene Jüngste Gericht an der
rechten Chorwand zeigt in der Mitte des Bildfeldes
den auferstandenen Christus im Glorienschein mit
zwei Richtschwertern, die ihm aus dem Munde
gehen; rechts Johannes den Täufer
als Fürbitter, umgeben von
Auferstehenden; oben
posaunenblasende Engel und unten
rechts den Höllenschlund, ein
grünes Ungeheuer mit weit
aufgesperrtem Maul. Dort stecken
der Verdammten schon so viele,
dass ein schwarzer Teufel sich
rücklings in die Menge drücken
muss, um für die nachrückenden Sünder Platz zu
schaffen. Vorsorglich hat er die Kiefer des
Höllenrachens mit einem langen Stab verstellt,
damti sie nicht vorzeitig zuklappen. Vom
Siedekessel, in dem ein Teufelchen mit der Gabel
herumstockert, ist nur noch die
Aufhängevorrichtung zu erkennen. Das übrige
Höllentreiben und die ganze linke Seite des Bildes
mit der Paradiespforte, den Seligen und der
fürbittenden Maria ist durch den Kanzeleinbau
zerstört worden.
Malereien an der Chorschlusswand
Sie kamen 1970 anlässlich der Orgelrenovation zum
Vorschein. Ihres sehr fragmentarischen Zustandes
wegen wurden sie nur fixiert, nicht aber
ausgebessert. Man hat sie
deshalb nicht wieder zugedeckt,
weil sie mit ihren zarten Farben
der Orgel einen wärmeren
Hintergrund geben als eine
weissgetünchte Wand. Bei genauem Hinsehen
lassen sich Überreste dreier übereinanderliegender
Malschichten unterscheiden: ein spätgotischer
Fialenaufbau über dem Sakramentshäuschen und
Heiligenfiguren (Propheten und Apostel?) zwischen
Säulen in zwei übereinanderstehenden Reihen – ein
Zyklus aus dem frühen 16. Jahrhundert, der sich
über alle drei Chorwände erstreckte; Rest eines
gelben Engelflügels rechts der Orgel, 14./15.
Jahrhundert; darunter kleines Fragment einer noch
älteren Malerei, möglicherweise aus der
spätromanischen Epoche.
Jüngstes Gericht an der Westwand
Zweites Viertel des 15. Jahrhunderts. – Was sich
hier gross und eindrücklich über die ganze Wand
erstreckt, setzt sich aus den gleichen Elementen
zusammen wie das eben beschriebene
Weltengericht, immer noch flächig-dekorativ, aber
nicht mehr kleinteilig und puppenhaft, sondern
geschlossener im Aufbau, etwas dramatischer und
differenzierter im Ausdruck: Während Petrus links
den Seligen das Paradiesestor öffnet, auf dessen
Zinnen Engelchen zum Empfang musizieren, jagen
rechts individuell gestaltete Teufelchen die
Verdammten. Höllenrachen und Siedekessel sind
auch hier bereits überfüllt. Weitere Sünder
schmachten unter dem Kessel in der Glut, die mit
einem Blasebalg unterhalten wird. Umgeben vom
teuflischen Treifen, kniet gross und ruhig Johannes
der Täufer als Fürbitter, den Blick zu Christus
erhoben, der , flankiert von posaunenblasenden
Engeln und umgeben von einem Wolkenband, in der
Röte des Feuerhimmels heruntergefahren ist. Zu
Füssen der fürbittenden Gottesmutter Maria steigen
die Auferweckten als kleine Figürchen mit heftigen
Gebärden aus der Erde auf. Zwischen Maria und
Petrus schliesslich ist der Erzengel Michael zu
erkennen, der nach altem Volksglauben als
Vorrichter die Seelen wägt und das Ergebnis dem
Obersten Weltenrichter meldet. Bei den zahlreichen,
weit über Europa verbreiteten Darstellungen ist das
Wägesystem nicht immer dasselbe. Im Reutiger Bild
kann die linke, schwerere
Waagschale kaum mehr erkannt
werden. Wahrscheinlich hat hier
ein gottgefälliges Seelchen
gesessen, dessen gute Taten, die
es mit sich trägt, die bösen in der
rechten Waagschale überwiegen.
Listige Teufel versuchen aber, die
Schale des Bösen zusätzlich zu
belasten, um die Seele für die Hölle zu gewinnen.
Gegen sie erhebt Michael sein Schwert. Das
Gerichtsbild gehört zu einer umfangreichen
Neubemalung des Schiffs, der die Malereien von
1420 – 1425 in der Kirche Erlenbach Pate gestanden
haben. Leider konnten die Zyklen über die
Erschaffung der Erde und die Jugend Christi an der
Südwand sowie die Passionsgeschichte an der
Nordwand nicht mehr restauriert werden. Sichtbar
geblieben ist lediglich ein bescheidenes Fragment
mit der rot gekleideten Gestalt Gottvaters aus der
Schöpfungsgeschichte.
Glasmalereien
Die Glasmalereien im Schiff wurden 1937 von Robert
Schär entworfen und durch das Atelier Eduard Boss
in Bern ausgeführt. An der Südwand
von hinten nach vorn:
An der Nordwand von hinten nach vorn:
Das seltsame Grab
Vor der Reformation wurde ein einträglicher Handel
mit Spänen vom Kreuz Christi, Knochen,
Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen von
Heiligen getrieben. Es war viel Schwindel dabei.
Diese Dinge wurden in einem Kästchen in der Kirche
ausgestellt und verehrt. 1952, als man anlässlich der
Kirchenrenovation den Taufstein versetzte, kam ein
stark vermoderter Sarg zum Vorschein, in dem sich
ein Paar Schuhe, eine Reisetasche und ein Kelchglas
befanden. Welchem Glaubensboten waren sie wohl
zugedacht? In der Reformation mussten diese
Gegenstände verschwinden. Sie nur irgendwo zu
vergraben schien pietätlos und darum gab man sie
einem Pfarrer mit ins Grab. – Die gefundenen Dinge
wanderten später ins historische Museum in Bern.